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Grundlagen der Arbeit der ÖGABS

Abhängigkeitserkrankungen betreffen einen großen Teil der Bevölkerung in allen Altersgruppen: ca. 25% der ÖsterreicherInnen rauchen,1 ca. 10% der ÖsterreicherInnen entwickeln im Laufe ihres Lebens eine Alkoholabhängigkeit.2 Demgegenüber entwickeln nur relativ wenige Personen beispielsweise "risikoreichen Opioidkonsum"3 – illegalisierte Drogen erhalten aber viel Aufmerksamkeit von Öffentlichkeit und Politik.

Es fällt nicht leicht, mit dem Konsum psychoaktiver Substanzen verbundene Probleme sachlich zu betrachten: bezüglich der verbreiteten, in unseren Traditionen und sozialen Ritualen verankerten Substanzen wird oft verharmlost und idealisiert; bezüglich anderer Substanzen hingegen kommt es oft zu aufgeregter Ablehnung und überzogenen Reaktionen, die selbst wieder Probleme schaffen. Beide Tendenzen können Betroffenen schaden! Verharmlosung kann Behandlungen, die längst indiziert wären, weiter verzögern. Allzu strenge Restriktion kann u.a. die Entstehung eines Schwarzmarkts mit all seinen Risiken und schädlichen Folgen fördern. Die ÖGABS engagiert sich für einen sachlichen, nüchternen und professionellen Umgang mit Suchtfragen.

Ganzheitliche medizinische Behandlung für PatientInnen

Substanzabhängigkeit – egal von welcher Substanz – ist als Krankheitsgeschehen zu verstehen. Oft kommen als Komplikation verschiedene Begleit- und Folgekrankheiten hinzu. Es gibt aber Konzepte dieses Geschehen durch medizinische Behandlung und psychosoziale Betreuung günstig zu beeinflussen. Diese Konzepte sind sozialmedizinisch und auf interdisziplinäre Zusammenarbeit ausgerichtet, folgen weitestgehend einem schadensminimierenden Zugang und schließen auch medikamentöse Behandlung ein. Sie versuchen dem ganzen Menschen sowohl in seiner biologischen, als auch in seiner psychischen und sozialen Dimension gerecht zu werden.

Medikamentöse Interventionen …

… dienen auch bei Suchtkranken der Behandlung von somatischen und psychischen Störungen. Egal ob sie als Grund- Begleit- oder Folgekrankheit gesehen werden, sind sorgfältige Diagnostik und adäquate Behandlung anzustreben. Es kann auch versucht werden entweder das Verlangen nach Substanzen selbst medikamentös zu bekämpfen ("Anti-Craving"-Substanzen) oder die Substanzen kontrolliert abzugeben (Nikotin-Ersatztherapie, Substitutionsbehandlung mit Opioiden). Ganz im Sinne der Philosophie der Schadensminimierung soll dabei sowohl das Individuum wie auch die Gemeinschaft vor einer Ausweitung der Polymorbidität und weiteren Folgeschäden bewahrt werden.

Wissenschaftliche Evaluation

Diese Behandlungskonzepte werden nunmehr bereits seit vielen Jahren national und international umgesetzt und Evaluationen zeigten gute Erfolge. Die Reduktion von Morbidität und Mortalität vermindert Leid, fördert die Gesundheit, erhält die Produktivität und entlastet das Gesundheitssystem in finanzieller Hinsicht. Im Falle der Substitutionsbehandlung mit Opioiden bringen die Reduktion der Beschaffungskriminalität sowie eine fortschreitende (Re)Sozialisation erheblichen volkswirtschaftlichen Nutzen. 

Medizin und Debatten in der Öffentlichkeit

Die einzelnen Behandlungsmethoden sind dennoch immer wieder gesellschaftspolitisch umstritten. Die medizinische Bedeutung der Behandlung wird unterbewertet und ordnungspolitischen und sozialpolitischen Zielen untergeordnet. Mythenbildungen entstehen, die zu einer Kette von Fehlinformationen und Fehlinterpretationen führen. Von diesem Prozess ist vor allem die arzneimittelgestützte Behandlung der Opioidabhängigkeit (Substitutionsbehandlung) betroffen. Mythen und stigmatisierende Zuschreibungen betreffen sowohl die PatientInnen, als auch die Substanzen und die behandelnden ÄrztInnen. Bestehenden Behandlungsangebote werden ohne wissenschaftliche Evidenz, aus politischen oder individual-moralistischen Motiven, diskreditiert und sind Versuchen der Einschränkung ja sogar des Verbotes ausgesetzt. 

Gründung einer Fachgesellschaft

Angesichts dieses gesellschaftlichen Prozesses haben sich mit der Behandlung von Suchtkrankheit befasste Personen aus Praxis und Forschung zu einem interdisziplinären Verein zusammengeschlossen, der es sich zum Ziel setzt, den Problemen, denen sich dieser Behandlungszugang ausgesetzt sieht, professionell zu begegnen.

Ziele der Gesellschaft sind:

  • Optimierung der arzneimittelgestützten Behandlung in allen Dimensionen
  • Förderung der Forschung zu diesem Behandlungsbereich
  • Beteiligung an Fort- und Weiterbildung hinsichtlich der medizinischen Aspekte der Behandlung
  • Veranstaltung von wissenschaftlichen Tagungen
  • Pflege enger wissenschaftlicher Kontakte zu anderen verwandten Gesellschaften
  • Information der Öffentlichkeit über Resultate der laufenden Forschung
  • Medien- und Pressearbeit
  • Antistigma-Arbeit

1 Frage: "Rauchen Sie?" oder "Haben Sie jemals täglich geraucht?" (Statistik Austria, Gesundheitsbefragung 2014)
2 A. Uhl, S. Bachmayer, J. Strizek, "Handbuch Alkohol" (2016), S. 39
3 Schätzung für 2015: 29.000 – 33.000 (Epidemiologiebericht Sucht 2016, ÖBIG, S. 11